Das deutsche Flaggschiff muss sich im besten Rennen des Jahres auf dem Sea Forest Waterway nur Überraschungssieger Neuseeland geschlagen geben und ist glücklich: „Heute ist ein Grund zum Feiern.“
Was für ein packendes Finale. Was für ein Fight. Die strapaziöse Vorbereitung auf die Olympischen Spiele findet auf dem Sea Forest Waterway ein glückliches Ende: Der Deutschland-Achter gewinnt die olympische Silber-Medaille in Tokio und gratuliert starken Neuseeländern zum Überraschungs-Coup. Bronze geht an Großbritannien. „Wir sind nahezu am Optimum gefahren. Mehr ging nicht. Heute ist ein Grund zum Feiern“, strahlt Schlagmann Hannes Ocik, der nach der Siegerehrung am Steg mit seinem Handy noch ein Erinnerungsselfie mit seiner Mannschaft schießt.
Vom ersten Schlag an geht die Crew des Deutschland-Achter das Finalrennen offensiv an und liegt bei der ersten Zwischenzeit nach 500 Metern hauchdünn in Führung und versucht diese, mit dem ersten Zwischenspurt und einem hohen Streckenschlag zu verteidigen. Es kommt ein Angriff nach dem anderen von allen Seiten. „Nach der 1.000-Meter-Marke hat Neuseeland ein Pfund draufgelegt, da konnten wir nicht gegenhalten“, gesteht Ocik. Das deutsche Paradeboot rutscht sogar noch knapp hinter die Briten auf Rang drei zurück, wirft im Endspurt die letzten Kraftreserven in die Waagschale und überquert mit 13 Hundertstelsekunden vor dem britischen Dauerrivalen als Zweiter die Ziellinie.
Neuseeland, das sich erst im Mai in der Nach-Qualifikation das Tokio-Ticket sichert und zum zweiten Mal nach 1972 Olympiasieger im Achter wird, ist an diesem Tag aber nicht zu schlagen. „Was die Neuseeländer gemacht haben, war bärenstark. Wir haben gefightet und sind sehr glücklich über Silber“, sagt Richard Schmidt, der wie Steuermann Martin Sauer nach Gold in London und Silber in Rio seine dritte olympische Medaille erringt. Für Torben Johannesen, Jakob Schneider, Olaf Roggensack, Laurits Follert und Johannes Weißenfeld ist es die erste Olympia-Medaille, während Ocik und Malte Jakschik bereits in Rio im Boot saßen.
Weitere Stimmen:
Johannes Weißenfeld: „Uns war schon bewusst, dass Neuseeländer, die alle ihre starken Leute in den Achter gesteckt haben, stark sind. Es war klar, dass die ein Top-Favorit auf eine Medaille sind. Ich denke, dass sie heute auf ihrem Höhepunkt angekommen sind. Sie haben ihr allerbestes Rennen gezeigt, da mussten wir uns leider geschlagen geben.“
Torben Johannesen: „Bei Olympischen Spielen eine Medaille zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes. Natürlich haben wir versucht, hier um Gold zu kämpfen. Das haben wir im Rennen auch gezeigt. Anfangs waren wir ein bisschen enttäuscht, aber das müssen wir nicht sein. Wir haben 100 Prozent gegeben. Da Silber ein Erfolg.“
Martin Sauer: „Die sind heute definitiv das beste Rennen des Jahres gefahren, aber man muss auch anerkennen, dass die anderen einiges besser können. Ich habe selten eine Mannschaft gesehen, die all ihre Kräfte gegen alle Widrigkeiten so zusammengepackt hat, wie diese Jungs hier. Es war eine herausragende Leistung, gegen die Umstände der Pandemie anzukämpfen. Wir haben alles auf der Strecke gelassen und dürfen mit dem Ergebnis zufrieden sein.“
Hannes Ocik: „Wir haben von vorne alles reingeworfen, was wir im Tank hatten, haben den Tank leergefahren und dann draufgehauen. Wenn man alles gibt und am Ende Zweiter wird, dann kann man super zufrieden sein.
Wenn man die letzten Renntage hier gesehen hat, dann können wir super stolz darauf, dass wir eine Medaille nach einem der vielleicht besten Rennen, die in einem olympischen Finale je gefahren wurden, mit nach Hause nehmen. Wir sind im Saisonverlauf und im vergangenen Jahr von Kompromiss zu Kompromiss gestiefelt und haben immer wieder gesagt ‚nichtsdestotrotz‘, haben alle Probleme auf uns genommen und alles geopfert. Dementsprechend bin ich super stolz. Wir sind eine Konstante gewesen, die eine Medaille mit nach Hause bringen kann. Wir haben hier heute auf jeden Fall Silber gewonnen - und das wird gefeiert.
Wir waren jetzt einen Monat in Japan. Wir haben viel und doch wieder nichts gesehen. Wir haben über zwei Wochen im Trainingslager in Kinosaki in einer Blase gelebt, die schon sehr anspruchsvoll war, weil man sich nur das Wesentliche konzentriert hat. Wir hatten keine Möglichkeit, mal auf andere Gedanken zu kommen. Durch den Wechsel ins olympische Dorf kam noch ein bisschen frischer Wind rein. Da hatten wir dann ein paar mehr Freiheiten. Insgesamt waren das für mich Olympische Spiele der Kompromissbereitschaft. In jeder Situation schwang die Frage mit: Wieviel Kompromisse müssen wir eingehen, damit das Event noch stattfinden kann. Das war für den Kopf unfassbar anspruchsvoll.“
Laurits Follert: „Bei den ersten Olympischen Spielen eine Medaille zu gewinnen, ist natürlich überragend. Ich bin überglücklich. Das war ein starkes Rennen von uns. Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Da war heute halt jemand schneller als wir.“
Ergebnisse:
Achter, Finale: 1. Neuseeland 5:24,64 Minuten, 2. Deutschland (Hannes Ocik, Richard Schmidt, Malte Jakschik, Jakob Schneider, Torben Johannesen, Olaf Roggensack, Laurits Follert, Johannes Weißenfeld, Steuermann Martin Sauer) 5:25,60, 3. Großbritannien 5:25,73, 4. USA 5:26,75, 5. Niederlande 5:27,96, 6. Australien 5:35,23.
Autor:
Carsten Oberhagemann
veröffentlicht am Freitag, 30. Juli 2021 um 09:39; erstellt von Hummels, Wilhelm
letzte Änderung: 06.08.24 17:14